Ethik lässt sich nicht von oben erzwingen
- Admin
- 6. Apr.
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In meinem Buch "Saruj – Stell dir vor, es gibt kein Geld mehr", sagt Dadame: »Die Wahrheit – und dieses Wort sage ich recht selten – ist, dass erst, wenn ein ethisches Verhalten komplett freiwillig ist und es von Herzen geschieht – ohne Erwartung auf Belohnung und ohne Angst vor Strafe – erst dann wird es tatsächlich verlässlich, beständig und widerstandsfähig.«
Kürzlich wurde im US-Verteidigungsministerium eine Task Force ins Leben gerufen – mit dem klaren Auftrag, alle DEI-Programme (Diversity, Equity, Inclusion) aus der Armee zu entfernen. Die offizielle Begründung: Eine Rückkehr zur Meritokratie, zu farben- und genderblinder Leistungsgerechtigkeit, bei der Qualifikation und Fähigkeit über Herkunft, Geschlecht – oder sexuelle Identität – entscheiden sollen. Als ich das gelesen habe, war mir sofort klar, welche Minderheit hier besonders im Visier steht. Doch bevor wir das vertiefen, lohnt sich ein kurzer Blick auf das Spannungsfeld zwischen Meritokratie und Quotenregelungen.
Die Idee von DEI war ursprünglich eine gut gemeinte Antwort auf reale Ungerechtigkeiten. Doch zu versuchen, Ungleichheit erst am Punkt der Auswahl – also bei Einstellungen, Zulassungen oder Beförderungen – zu ebnen, kommt schlicht zu spät. Es behandelt das Symptom, nicht die Ursache. Wenn zwei Menschen sich bewerben, aber einer von klein auf Zugang zu guter Bildung, sicherem Wohnraum, Unterstützung und Netzwerken hatte – und der andere systemisch benachteiligt war – dann starten sie nicht auf derselben Linie. Eine spätere Korrektur – etwa durch Bevorzugung oder Quote – wirkt selten gerecht. Und oft erzeugt sie viel Gefährlicheres: Neid, Frustration, Groll. Und im schlimmsten Fall Hass.
Gerechter wäre, flussaufwärts anzusetzen. Vor der Bewerbung. In der Ermächtigung durch Zugang zur Bildung, Kultur, psychologischer oder sozialer Unterstützung, durch finanzielle Förderung, Nachhilfe und weitere ermutigende Programme. Eine Unterstützung, die echte Kompetenz aufbauen würde. Es geht nicht darum, Maßstäbe zu senken, sondern darum, möglichst vielen zu ermöglichen, sie zu erreichen. Ein Zusammenwachsen, das Zeit braucht – aber nachhaltig ist. Sie verbindet anstatt zu spalten.
Bei Frauen oder ethnischen Minderheiten mag trotzdem eine Quotenregelung Sinn ergeben – vorausgesetzt die Qualifikationen und die Erfahrung sind vorhanden – damit sie Zugang zu Positionen erlangen können, die ihnen in der Vergangenheit systematisch verwehrt waren. Eine gesunde Mischung aus Meritokratie und Quoten also, begleitet von einer Behandlung der Ursachen der Diskriminierung. Doch wenn es um Genderidentität geht – was wäre hier überhaupt die Grundlage für eine Quotenregelung?
Vielleicht deshalb findet diese Entscheidung von Trump – die natürlich auch die Regenbogen-Community gezielt im Visier hat – einiges an Zustimmung, und das nicht nur am konservativen Rand. Still und leise nicken auch Menschen, die rein gar nichts gegen diese Community haben. Warum? Weil sich etwas an der Art und Weise, wie heute mit Geschlechtsidentitäten umgegangen wird, grundlegend falsch anfühlt.
Irgendwo auf dem Weg wurde aus dem Wunsch nach mehr Humanität eine Zwangsjacke. Ein undurchdringlicher Pronomen-Dschungel, unlesbare Grammatikkonstruktionen, eine wachsende Liste kaum nachvollziehbarer Kategorien von Identitäten und Vorlieben. Öffentliche Bekenntnisse, die eher der eigenen moralischen Absicherung dienen als echtem Zuhören – da schon das bloße Hinterfragen als moralisches Vergehen gilt. Und genau dort beginnt für viele das leise Unwohlsein – selbst bei jenen, die gesellschaftliche Diversität begrüßen.
Man braucht keine Flagge, um Respekt zu verstehen. Und wenn erwartet wird, Respekt auf eine bestimmte, gesellschaftlich abgesegnete Weise zu inszenieren, geht da etwas Wesentliches verloren. Anstatt Brücken zu bauen, werden Gräben geschaufelt.
Und die wohl bitterste Ironie ist: Je mehr Inklusion von oben verordnet wird, desto mehr zeigt sich von unten offener Widerstand. Menschen, die früher sagten: "Ist nicht meins, aber Leben und Leben lassen", äußern sich heute feindselig. Kommentare, die vor zehn Jahren undenkbar gewesen wären, sind salonfähig geworden. Das betrifft nicht nur Homophobie und Transfeindlichkeit, sondern mittlerweile auch Rassismus und Sexismus. Vorurteile sterben nicht durch moralischen Druck. Sie gehen nur in den Untergrund – bis sie stark genug sind, zurückzuschlagen.
Am schwierigsten ist es für jene, die vom Herzen ein Leben lang humanistische Werte gelebt und unterstützt haben. Ihre ethischen Werte scheinen plötzlich nichts mehr zu zählen – es sei denn, sie unterwerfen sich widerspruchslos einem neuen moralischen Dogma. Das können frei denkende Menschen nicht.
Menschlichkeit lässt sich nicht durch Druck, Formulare oder Benimmregeln erzeugen. Sie wächst durch Empathie und Liebe. Und die entstehen durch neugierige Begegnungen, einladende kulturelle Räume, Geschichten, die bewegen, Beziehungen. Und durch Freiheit.
Ich bin nicht anti-woke. Ich bin nicht gegen Vielfalt. Ich bin nicht gegen Respekt. Ich bin nur gegen das Theater drumherum, das oft mit echten Werten verwechselt wird – und nicht selten verheerende Konsequenzen hat. Ich bin post-hype. Saruj & Sophia 🖋
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