In „FACES OF LOVE“ beschäftige ich mich weiterhin mit nicht real existierenden Gesichtern. Diesmal entstanden keine symmetrischen Wesen sondern hermaphroditische - die Kombination aus jeweils zwei Partnern eines Paares. Und auch hier war beeindruckend, wie während der Arbeit und der Ausstellungen diese Schimären eine eigene Realität, ein Individualleben bekamen. Sie verkörperten einen realen Menschen mit einer eigenen Identität und Persönlichkeit, welcher der Liebesbeziehung beider Menschen ein Gesicht gab, sie verkörperte. Als Konsequenz daraus bekamen die entstandenen Schimären Namen.
KENSHI, 2 Kinder, 14 Jahre alt.
- Ist Großzügigkeit, wenn man etwas abgibt, was man sowieso doppelt hat? Oder ist Großzügigkeit, wenn man sich von etwas trennt, was man gern behalten hätte?
- Oder ist großzügig, darüber hinweg zu sehen, dass die Tassen und Teller überall im Haus rumstehen?
- Ja, das ist großzügig, darüber hinweg zu sehen und daher bin ich sehr großzügig.
- Aber du hast sie doch stehen gelassen!
Die schimären Wesen bekommen eine eigene Identität durch die Erzählungen der Paare, die man im Kopfhörer hören kann, während man die Bilder bequem auf einem Bett sitzend betrachtet. Die teils absurd erscheinenden hermaphroditischen Züge der künstlich hergestellten Wesen werden schnell akzeptiert und als schön empfunden. Schön, wie deren Liebesgeschichten und deren Offenheit in den zu hörenden Erzählungen.
Die Audio-Aufnahmen sind klassische, nicht-direktive Interviews. Es werden kaum Fragen gestellt und diese dienen nur als Anregung. Man lässt die Menschen reden. Die Essenz der Beziehung kommt ungezwungen und mit viel Offenheit und Ehrlichkeit zum Vorschein. Die sehr langen Interviews habe ich liebevoll auf ungefähr eine halbe Stunde pro Paar gekürzt.
KION, 8 Jahre alt.
- Wir treffen auch gar nicht soviel Leute wie wir eigentlich wollen, weil die Zeit so kurz ist und weil es auch alleine so schön ist. Wir haben auch lange gehofft, dass das dann irgendwann aufhört, nach zwei Jahren oder so, und sagen ‘Ja, jetzt ist auch mal gut’, aber es hört nicht auf!
Zu den Interviews gehören bewegte Bilder, welche auf Monitoren abgespielt werden, die direkt hinter den Bildern der Schimären positioniert sind. Die Videobilder sind qualitativ hochwertig und in einem professionellen Studio aufgenommen. Während der Ausstellung kam die Frage auf, warum die schönen Videobilder der Interviews und die teueren Monitore hinter den Schimären versteckt sind.
Mir geht es nicht darum, die Realität der einzelnen Interviewpartner des jeweiligen Paares zu kaschieren, sondern die Aufmerksamkeit des Betrachters in erster Linie auf meine Visualisierung deren Liebesbeziehungen zu richten. Wichtig sind die verkörperten Schimären der Beziehung. Sichtbare Videobilder würden ablenken und daran hindern, sich auf diese schimären Wesen ganz und gar einzulassen.
Die Videobilder sind mit etwas Geschick jedoch einsehbar, wenn man durch den Spalt zwischen dem hängenden Bild und dem Monitor hindurch „spioniert“. So wie ein Kind, das am Abend aufsteht und durch den Wohnzimmertürspalt späht, was die Erwachsene machen, wenn sie sich nicht beobachtet fühlen.
Die hochinteressanten Filme sind käuflich zu erwerben.
ERITA, 17 Jahre alt.
Für das Projekt „FACES OF LOVE“ habe ich mit drei Protagonisten aus dem Projekt „Publik-Privat“ und deren Partnern gearbeitet. Das jüngste Paar war zu diesem Zeitpunkt 8 Jahre zusammen, die zwei anderen Paare hatten 14 bzw. 17 Jahre Beziehung hinter sich. Voraussetzung war, dass jedes Paar sich als glücklich einschätzte.
Zusätzlich als ältestes Paar eingeladen hatte ich meinen Vater und seine Frau, mit dem ich erst vor 3 Jahren wieder Kontakt aufgenommen habe. Seit meiner Kindheit hatte ich ihn aus den Augen verloren. Durch diese Arbeit hatte ich endlich die Chance seine Geschichte zu hören und ich muss gestehen, dass ich im Prozess des Schnittes wahrscheinlich eine Badewanne voll Tränen vergossen habe.
DALINE, 1 Kind, 42 Jahre alt.
- Ich habe auch schon mal meine Zweifel gehabt. Und daran gelitten.
- Stimmt das?
- Sicher. Warum sich was vormachen... Du warst doch immer ein schönes Mädchen. Es war möglich und ich habe Zweifel gehabt, ja, das stimmt. Und ich habe nichts gesagt, und mir dabei gedacht, dass es schon gerecht wäre. Als Retour...